Fachbeiträge

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PV-Freiflächenanlagen: Neue Vorgaben für die Bauleitplanung

Die Stromerzeugung durch Photovoltaik ist ein wesentlicher Baustein, um die Energiewende umzusetzen. Da Freiflächen-Photovoltaikanlagen nicht zu den privilegierten Vorhaben des § 35 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) zählen, erfordert die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von PV-Freiflächenanlagen (PV-FFA) im Außenbereich grundsätzlich eine Bauleitplanung, d. h. die Aufstellung eines Bebauungsplanes und die entsprechende Änderung des Flächennutzungsplanes.

Symbolbild Photovoltaikanlage

Zwar werden zur Ansiedlung von PV-FFA regelmäßig sonstige Sondergebiete im Sinne von § 11 Abs. 2 BauNVO festgesetzt. Allerdings handelt es sich bei der Errichtung einer PV-FFA um eine atypische Nutzung, welche insbesondere hinsichtlich ihres Einflusses auf Boden- und (Grund-)Wasservorkommen sowie die Versiegelung nicht mit einem klassischen Baugebiet zu vergleichen ist. Vor diesem Hintergrund hat das Bayerische Staatsministerium des Innern bereits mit Rundschreiben aus den Jahren 2003, 2009 und 2011 Hinweise zur bau- und landesplanerischen Behandlung von PV-Freiflächenanlagen gegeben. Im Dezember 2021 wurden diese Hinweise durch ein neues Rundschreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr abgelöst, in welchem Anpassungen an die aktuelle Rechtslage vorgenommen und politische Ziele umgesetzt werden sollen.

Für die Bauleitplanung ergeben sich wesentliche Neuerungen insbesondere in Bezug auf die bauplanungsrechtliche Eingriffsregelung und den entsprechenden Ausgleichsbedarf. Das Rundschreiben betont zudem die Bedeutung von Standortkonzepten zur Förderung von PV-FFA und zum Schutz des Orts- und Landschaftsbildes sowie des Naturhaushaltes vor Beeinträchtigungen.
 

(1) Standortkonzepte

Für PV-FFA, deren Betreiber eine Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2021 (EEG) erhalten wollen, sieht das EEG einen abschließenden Flächenkatalog vor. Dieser umfasst neben versiegelten Flächen, Konversionsflächen aus wirtschaftlicher, verkehrlicher, wohnungsbaulicher und militärischer Nutzung sowie einem förderfähigen Korridor von 200 m entlang von Autobahnen und Schienenwegen in Bayern auch sogenannte „landwirtschaftlich benachteiligte Gebiete“.

Insbesondere bei PV-FFA in „landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten“, welche oft ganze Gemeindegebiete umfassen, wurden die Kommunen in letzter Zeit im Rahmen der Beteiligung von Behörden und Träger öffentlicher Belange (§ 4 Abs. 1 und 2 BauGB) verstärkt aufgefordert, ein das gesamte Gemeindegebiet umfassendes Standortkonzept für die Ansiedlung von PV-FFA zu erarbeiten und sich nicht von Ansiedlungswünschen einzelner Investoren leiten zu lassen.

Das neue Rundschreiben normiert nun das Erfordernis solcher Standortkonzepte und empfiehlt eine detailliert dargestellte Vorgehensweise zur Ermittlung geeigneter Standorte.

In einem ersten Schritt sind Standorte auszuschließen, die aus rechtlichen und/oder fachlichen Gründen grundsätzlich für die Ansiedlung von PV-FFA ungeeignet sind, weil z. B. schwerwiegende/langfristige Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erwarten sind (z. B. Naturschutzgebiete, gesetzlich geschützte Biotope, Gewässerrandstreifen, Geotope etc.).

Der zweite Schritt umfasst den Ausschluss nicht geeigneter Restriktionsflächen (z. B. landschaftliche Vorbehaltsgebiete, regionale Grünzüge gemäß Regionalplan, Natura2000 Gebiete etc.). Ansiedlungen von PV-FFA auf diesen Restriktionsflächen können im Rahmen einer Prüfung des Einzelfalls ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie am konkreten Standort aus naturschutzrechtlicher und -fachlicher Sicht vertretbar sind.

Es verbleiben geeignete Standorte wie z. B. versiegelte Konversionsflächen, Siedlungsbrachen, Flächen im räumlichen Zusammenhang mit größeren Gewerbegebieten, Trassen entlang größerer Verkehrsstraßen (Schienenwege und Autobahnen), technisch durch z. B. Hochspannungsleitungen vorbelastete Standorte sowie Flächen ohne besondere landschaftliche Eigenart, insbesondere in Lagen ohne Fernwirkung.

Die Erstellung eines entsprechenden Standortkonzepts mag auf den ersten Blick aufwendig und ggf. kostenintensiv erscheinen, ist jedoch insbesondere bei einer Häufung von Ansiedlungswünschen durchaus zu empfehlen. Im Rahmen der Bauleitplanung (insbesondere im Umweltbericht) sind für jeden Einzelfall obligatorisch Standortalternativen zu eruieren und zu bewerten. Liegt ein Standortkonzept vor, kann dieser Planungsschritt minimiert werden.
 

(2) Bauplanungsrechtliche Eingriffsregelung

Vor dem Hintergrund der bisherigen Rundschreiben wurde entsprechend dem geringen Versiegelungs- und Nutzungsgrad von PV-FFA im Regelfall ein Kompensationsfaktor von 0,2 für angemessen erachtet. Das bedeutet, dass eine Fläche in der Größenordnung von 20 Prozent der Betriebsfläche (zusätzlich) als Ausgleichsfläche zur Verfügung gestellt und dauerhaft für die Zwecke des Naturschutzes gesichert werden musste.

Auf der Betriebsfläche einer PV-FFA wird regelmäßig Extensivgrünland entwickelt. Dies führt – insbesondere im Vergleich zu einer bisherigen intensiven Ackernutzung – zu einer Erhöhung der naturschutzfachlichen Wertigkeit der Fläche und der Biodiversität. Deshalb und um einen zusätzlichen Flächenverbrauch zu reduzieren, hat der Bayerische Landtag am 23.09.2020 (LT-Drs. 18/10017) beschlossen, dass PV-FFA im Regelfall ohne zusätzlichen Ausgleichsbedarf errichtet werden sollen.

Das neue Rundschreiben setzt dieses politische Ziel um und definiert die Voraussetzungen, unter welchen der Ausgleichsbedarf auf der Betriebsfläche der PV-FFA erbracht werden kann. Im Grundsatz soll dies (neben grundsätzlichen Vermeidungsmaßnahmen) regelmäßig dann der Fall sein, wenn der Ausgangszustand der Betriebsfläche gemäß Biotopwertliste als „intensiv genutzter Acker“ (BNT A11) und/oder „intensiv genutztes Grünland“ (BNT G11) zu klassifizieren ist und im Rahmen der PV-Nutzung auf der Betriebsfläche ein extensiv genutztes, arten- und blütenreiches Grünland entwickelt und gepflegt wird, das sich in Arten- und Strukturausstattung am Biotoptyp „Mäßig extensiv genutztes, artenreiches Grünland“ (BNT G212) orientiert. Für die Entwicklung und Pflege dieses arten- und blütenreichen Grünlandes werden einige Maßgaben formuliert. So müssen zum einen im Rahmen der technischen Planung bestimmte Vorgaben beachten werden (GRZ ≤ 0,5, Modulreihenabstand ≥ 3,0 m, Modulabstand zum Boden ≥ 0,8 m). Zum anderen werden Vorgaben zum Saatgut (Saatgut aus gebietseigenen Arten bzw. aus lokal gewonnenen Mahdgut) sowie zur Pflege (Ausschluss von Düngung/Pflanzenschutzmitteln, Mahdhäufigkeit, kein Mulchen, standortangepasste Beweidung) normiert. Unabhängig davon ist zum Ausgleich von Eingriffen in das Landschaftsbild in Abhängigkeit der topografischen Verhältnisse und der daraus resultierenden Sichtbeziehungen zusätzlich eine Hecke zur Eingrünung um die PV-FFA zu pflanzen, die mindestens zweireihig ausgeführt sein soll.

Können die Maßgaben nur teilweise eingehalten werden, ist der (zusätzliche) Ausgleichsbedarf zu ermitteln und um die durch ökologische Gestaltungs- und Pflegemaßnahmen erreichbare Vermeidung zu reduzieren. Die Ermittlung dieses Ausgleichsbedarfes soll zukünftig in Anlehnung an die Bayerische Kompensationsordnung erfolgen, wodurch die Qualität der Eingriffs- und Ausgleichsfläche stärker in den Fokus rückt und nicht mehr vordergründig eine quantitative Berechnung des Ausgleichsbedarfes durchgeführt wird.

Es bleibt abzuwarten, wie die Vorgaben des Rundschreibens in der Praxis umgesetzt werden. Für Investoren jedenfalls gewinnt die Entwicklung von PV-FFA-Projekten ohne zusätzlichen Ausgleichsflächenbedarf weiter an Attraktivität, was im Sinne der Energiewende durchaus begrüßenswert ist.