Fachbeiträge

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Die Relevanz für Schallschutz steigt

Lärm von Verkehrswegen, Industrie- und Gewerbeflächen bzw. -betrieben oder Sport- und Freizeitanlagen – wir sind beinahe den ganzen Tag über unterschiedlichsten Lärmquellen ausgesetzt. Dieser Lärm kann Menschen belästigen oder sogar deren Gesundheit gefährden. Das Problem: Die meisten Lärmquellen lassen sich nicht ohne Weiteres abschaffen oder beliebig auf ein verträgliches Maß reduzieren. Aus diesem Grund gewinnt der Schallschutz immer mehr an Bedeutung. Dabei werden im Rahmen von Schallprognosen Rahmenbedingungen ermittelt, die gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewährleisten und dadurch den Menschen ausreichend vor Lärm schützen.

Computerbildschirm, an dem eine Schallschutzgrafik geöffnet ist

So läuft die Erstellung einer Schallprognose ab

Martin Böhm erstellt Schallprognosen bei Kling Consult. Seit 15 Jahren untersucht er, welche Lärmauswirkungen geplante Bauvorhaben auf schützenswerte Nutzungen haben oder welche Vorbelastungen auf bestehende und/oder geplante Wohnnutzungen einwirken. Im Ergebnis der Prognosen erarbeitet er Maßnahmenvorschläge zur rechtssicheren Vermeidung und Verminderung von Geräuscheinwirkungen. „Die Menschen sind sensibler geworden und schalten vermehrt Rechtsbeistand ein, um ihre Interessen zu wahren“, erzählt er.

Planunterlagen wie Flurkarten, Geländemodelle, Bebauungspläne, Genehmigungspläne oder Luftbilder sind die Grundlage für die Erstellung einer Schallprognose. Zusätzlich informiert sich Herr Böhm über erforderliche Hintergrundinformationen, wie z. B. Verkehrszahlen oder Betriebsabläufe von Unternehmen und Vorhaben. Die gesammelten Unterlagen und Informationen bilden die Basis für die Modellierung, welche mit Hilfe einer Software erstellt wird. „Je nach Aufgabenstellung modelliere ich Verkehrsachsen, unterschiedliche Schallquellen und die schützenswerten Nutzungen. Außerdem wähle ich fallbezogen die entsprechend zu berücksichtigenden Vorschriften und Richtlinien aus“, erklärt Martin Böhm. Anschließend ist die Software an der Reihe. Diese berechnet, wie viel Lärm am schützenswerten Bereich ankommt. Werden die zulässigen Werte überschritten, sind in der Regel Schutzmaßnahmen erforderlich. Diese gliedern sich in aktive und passive Maßnahmen. Aktiver Schallschutz setzt direkt an der Lärmquelle (Emissionsort) und dessen direkten Umfeld an, wohingegen sich passiver Lärmschutz auf den Einwirkungsort des Lärms (Immissionsort) bezieht. Im Ergebnis einer Schallprognose stehen beispielsweise Festsetzungsvorschläge oder Auflagenvorschläge, die der Genehmigungsbehörde zur Prüfung vorgelegt werden.


Schallschutz im Baugebiet

Ein häufig wiederkehrendes Szenario betrifft die Untersuchung des Schalls bei der Ausweisung eines neuen Baugebiets. In diesem Fall fordert in der Regel die Immissionsschutzbehörde eine schalltechnische Untersuchung, um bei Bedarf die zwingend erforderlichen Maßnahmen im Bebauungsplan zu verankern und somit verbindlich für alle Bauherren fest zu legen. „Vor einiger Zeit habe ich eine Untersuchung für eine geplante Wohnnutzung erstellt, die sowohl an zwei Straßen sowie angrenzend an große Gewerbeflächen errichtet werden sollte. Lüftungsanlagen, Kühlaggregate, Maschinen von Betrieben oder unzählige Autos – all das sind Schallquellen, die Lärm abstrahlen“, erzählt Böhm. Nach der Modellierung hat die Software berechnet, dass die Werte für die geplante Wohnbebauung viel zu hoch sind. „Ich habe getestet, welche Schutzmaßnahmen welche Auswirkungen haben. Ist es effektiver, dass jedes Haus mit einem bestimmten Schalldämm-Maß an der Außenfassade gebaut werden muss oder dass einzelne Betriebsteile gedämmt werden, um den Schall zu reduzieren? Oder ist eine Schallschutzwand zwischen dem Wohngebiet und der Straße am effektivsten?“, so der Diplom-Ingenieur. Letztendlich wurden im Bebauungsplan sowohl aktive Lärmschutzeinrichtungen als auch sogenannte Lärmpegelbereiche an der schützenswerten Nutzung festgesetzt, die dem Architekten oder Bauphysiker vorgeben, mit welchem Schallschutz die Fassade der Häuser zu gestalten ist.

 

Herausforderungen und Hürden für den Schallschutz

Schwierig wird es, wenn Betriebe im Schichtmodell arbeiten und deshalb in der Nachtzeit Emissionen abgestrahlt werden. In der Regel ist eine Staffelung der zulässigen Geräuschkontingente vorgegeben: 60 Dezibel am Tag, 45 Dezibel in der Nacht. „Wenn allerdings zum Schichtwechsel um 22:00 Uhr auf einmal alle Mitarbeiter wegfahren, wird der Nachtwert zumeist überschritten. Das macht regelmäßig Probleme“, erklärt Martin Böhm.

Diskussionswürdig ist auch, was für jedes Unternehmen in einem Gewerbegebiet ohne Bebauungsplan bzw. Geräuschkontingentierung zulässig ist. Die Summenwirkung ist letztendlich entscheidend. So dürfen viele Betriebe auf Grundlage ihrer Betriebsgenehmigung zur Nachtzeit produzieren, nutzen dies aber gar nicht. Ein anderer Betrieb hat dadurch wiederum eine imaginäre Vorbelastung und wird im Betriebsablauf eingeschränkt.

Ein Projekt stellte in den letzten Jahren eine besondere Herausforderung dar: Auf einem großen Gelände im Landkreis Günzburg sollten neben schützenswerten Nutzungen auch zahlreiche Gebäude für die gewerbliche Nutzung sowie für die Freizeit und den Sport entstehen. Um die Fläche herum verlaufen Straßen, daneben existiert ein großes Gewerbe- und Industriegebiet. Die Herausforderung lag darin, die unterschiedlichen Lärmarten zu betrachten und die einzelnen Nutzungen aufeinander abzustimmen. Hierfür waren viele verschiedene Untersuchungen nötig, deren Ergebnisse letztendlich zu einem großen Maßnahmenpaket unterschiedlicher Schallschutzmaßnahmen geführt haben.

Martin Böhm hat in seiner beruflichen Laufbahn als Diplom-Ingenieur eine Vielzahl von Schallprognosen erstellt. Mit der wachsenden Aufmerksamkeit für das Thema in den öffentlichen Diskussionen steigt auch der Bedarf. Eines ist sicher: Leichtfertig sollte mit dem Thema Schallschutz nicht umgegangen werden. „Schall kann einfach mit fassbaren Zahlenwerten belegt werden und bietet daher eine beliebte Angriffsmöglichkeit für potenzielle Kläger“, so Martin Böhm.