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Energiewende vs. Artenschutz

Gemäß § 44 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz ist es verboten, besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. 

Toter Rotmilan liegt im Gras vor einem Windrad
Windrad vor blauem Himmel
Vier Winkräder vor blauem Himmel
Flerdermaus auf einer Hand
Rotmilan fliegt vor blauem Himmel

Artenschutz blockiert Ausbau der Windenergie

Der Ausbau erneuerbaren Energien, insbesondere der Windkraft, stand diesem Leitsatz des Artenschutzrechtes über viele Jahre entgegen. So waren insbesondere im süddeutschen Raum zahlreiche Vorhaben zur Errichtung von Windenergieanlagen aufgrund artenschutzrechtlicher Belange nicht genehmigungsfähig. Dabei galt es im Zuge der Genehmigungsverfahren durch umfangreiche artenschutzrechtliche Begutachtungen zu ermitteln, wo sogenannte windkraftempfindliche Vogelarten – zumeist kollisionsgefährdete Arten – brüten und welche Flugrouten sie wählen, um zu ihren bevorzugten Nahrungshabitaten zu gelangen. Auf Basis dieser erhobenen Daten wurde eingriffsbezogen ermittelt, ob geplante Windenergieanlagen zu einem signifikant erhöhten Konfliktpotenzial (primär Kollisionsrisiko) führen. Bereiche mit signifikant erhöhtem Konfliktpotenzial waren von Windenergieanlagen freizuhalten.

Die deutschen Vogelschutzwarten, das Bundesministerium sowie die Umweltministerien der Länder bewerteten rund zwei Dutzend Vogelarten als besonders kollisionsgefährdet. Die populärste Art ist sicherlich der Rotmilan, welcher auch in Süddeutschland weit verbreitet ist. Von ihm liegen überproportional viele Daten über Kollisionsopfer vor: Die zentrale Datenbank der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt Brandenberg führt mit dem Stand vom 09.08.2023 in Deutschland 751 Rotmilane auf, welche durch Windenergieanlagen getötet wurden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dies nur bekannt gewordene Daten sind und die tatsächliche Anzahl an Kollisionsopfern vermutlich weit darüber hinaus geht. Das artenschutzfachliche und -rechtliche Problem ist folglich nicht von der Hand zu weisen. Zwar nimmt der Rotmilan vielerorts im Bestand zu, was insbesondere auf die Bewirtschaftung der Agrarlandschaft zurückzuführen ist. Dies führte dann jedoch auch dazu, dass die Realisierbarkeit von Windenergieanlagen zunehmend schwieriger wurde und der Energiewende in vielen Fällen entgegenstand.

Eine Wende im Artenschutzrecht

Aufgrund weniger Alternativen zur Windkraft soll es nun aber eine Lösung geben: Das sogenannte "Osterpaket" der Bundesregierung lieferte hierzu im Jahr 2022 den Grundstein für den Ausbau der Windenergie.

Eine darauf aufbauende Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes im Juli 2022 führte zu einer Erleichterung, eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Umsetzung von Windenergieanlagen erreichen zu können. Ehemals als kollisionsgefährdet eingestufte Vogelarten wurden aus der Liste gestrichen, die o.g. Konfliktbereiche zudem entschärft. Während wie oben dargestellt einst neben den Horsten bzw. dem nahen Horstumfeld auch die präferierten Flugkorridore von kollisionsgefährdeten Vogelarten als Bereiche mit signifikant erhöhtem Konfliktpotenzial bewertet wurden, regelt § 45b Bundesnaturschutzgesetz dies neu: So entfallen nun weitestgehend die präferierten Flugkorridore bei der artenschutzrechtlichen Bewertung. Das Horstumfeld wird pragmatisch mit artspezifischen Radien um die Horststandorte als "Tabu-Zone" für Windenergie mit einem signifikant erhöhten Kollisionsrisiko gewertet (sog. Nahbereich). In den meisten Fällen beträgt dieser einen Radius von 500m um den Horst. Artspezifisch wurde zudem ein "zentraler Prüfbereich" um die Horste ausgewiesen (je nach Art meist 1.000m, beim Rotmilan z.B. 1.200m), in welchem zwar ein erhöhtes Kollisionsrisiko besteht, dieses jedoch durch geeignete Maßnahmen unter der Signifikanzschwelle gehalten werden kann. Gewiss ist, dass innerhalb dieser Radien die Hauptaktivität der einzelnen Arten besteht, die präferierten, teils intensiv beflogenen Areale zu den Nahrungslebensräumen bleiben nun aber unberücksichtigt – auch bei Arten, welche nachweislich Aktivitätsradien von bis zu 5.000m um das Nest nutzen. Maßgeblich für die artenschutzrechtliche Bewertung ist demzufolge heute der Horststandort der aktuell noch als kollisionsgefährdet eingestuften Vogelarten.

Der § 6 Windflächenbedarfsgesetz (WindBG) vom März 2023 schafft eine weitere bundesrechtliche Artenschutzvorschrift: Wird die Errichtung und der Betrieb einer Windenergieanlage in einem zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ausgewiesenen Windenergiegebiet beantragt, ist im Genehmigungsverfahren abweichend von den Vorschriften des § 44 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz eine artenschutzrechtliche Prüfung nicht mehr erforderlich, sofern bei Ausweisung des Windenergiegebietes eine Umweltprüfung nach § 8 des Raumordnungsgesetzes oder § 2 Absatz 4 des Baugesetzbuchs durchgeführt wurde. Eine "artenschutzrechtliche Bewertung" erfolgt dann ausschließlich auf Basis vorhandener Daten in der Form, dass ggf. eine Notwendigkeit von Minderungsmaßnahmen besteht. Dies klingt nach einem sehr pragmatischen Weg – sicherlich förderlich für den Ausbau der Windenergie. Jedoch basiert dann eine artenschutzrechtliche Bewertung auf einer unzureichenden Datengrundlage. So zeigt sich vielerorts, dass die vorhandenen Daten fernab von der Realität liegen. Ein etwas genauerer Blick in die derzeit in Ausweisung befindlichen oder bereits ausgewiesenen Windenergiegebiete zeigt in zahlreichen Fällen deutlich mehr relevante Artvorkommen, als sie offiziell bekannt sind – Vorkommen, welche nach den neuen Rechtsvorschriften unberücksichtigt bleiben dürfen.

Neben der Vogelwelt waren einst weitere Arten nach § 44 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz zu berücksichtigen. Hierzu zählen beispielsweise Fledermäuse, Haselmäuse, die Zauneidechse und viele mehr. Im Zuge der artenschutzrechtlichen Prüfungen wurden potenzielle Beeinträchtigungen dieser sogenannten "Anhang IV-Arten" der FFH-Richtlinie (EU) bei dem Bau von Windenergieanlagen geprüft und bewertet. Auch für diese Arten bzw. Artengruppen, welche insbesondere bei Windkraftplanungen im Wald durch Rodungen und den Ausbau der Zuwegung beeinträchtigt werden können, entfällt eine artenschutzrechtliche Prüfung nun gänzlich.

Fazit

Der Ausbau der Windenergie kollidiert also unweigerlich mit dem Artenschutz und niemand vermag es aktuell abzuschätzen, welchen Einfluss dieser auf das Vorkommen von Arten haben könnte.

Es bleibt daher spannend zu beobachten, ob es zu Bestandsveränderungen von Groß- und Greifvogelarten, von Fledermäusen oder weiteren Arten bzw. Artengruppen kommen wird.